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Freitag, 7. Februar 2014

Gedicht des Monats - Simon Dach

Die beste Zeit zum lieben.


Die sonne rennt mit prangen
Durch ihre frühlings-bahn /
Und lacht mit ihren wangen
Den runden welt-kreiß an.


Der himmel kömmt zur erden /
Er wärmt und macht sie naß /
Drum muß sie schwanger werden /
Gebiehret laub und graß.


Der west-wind läßt sich hören /
Die Flora / seine braut /
Aus liebe zu verehren
Mit blumen / graß und kraut.


Die vögel kommen nisten
Aus fremden ländern her /
Und hengen nach den lüsten;
Die schiffe gehn im meer /


Der schäfer hebt zu singen
Von seiner Phyllis an /
Die welt geht wie im springen /
Es freut sich / was nur kan.


Drum wer anitzt zu lieben
Ein gutes mittel hat /
Der flieh es auffzuschieben /
Und folge guten rath.


Weil alles / was sich reget /
In dem es sich verliebt /
Und sich zu gleichen leget /
Hiezu uns anlaß giebt.
 

Freitag, 6. September 2013

Gedicht des Monats - unbekannt

Dunkel war’s, der Mond schien helle,
grün war die beschneite Flur,
als ein Wagen blitzeschnelle,
langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
Als ein totgeschoss’ner Hase
Auf der Sandbank Schlittschuh lief.

Und ein blondgelockter Jüngling
mit kohlrabenschwarzem Haar
saß auf einer grünen Kiste,
die rot angestrichen war.

Neben ihm ’ne alte Schrulle,
zählte kaum erst sechzehn Jahr,
in der Hand ’ne Butterstulle,
die mit Schmalz bestrichen war.



 
Typisch für dieses Gedicht ist, dass gemachten Aussagen gleich widersprochen wird. Es ist geprägt von Oxymora und Paradoxien beziehungsweise offensichtlichen Widersprüchen.

Es gibt verschiedene Fassungen/Varianten bei denen sich vor allem die ersten Strophen ähneln. Die Fassungen sind aus einem Ursprungsgedicht mit zwei oder drei Strophen hervorgegangen und wurden im Laufe der Zeit immer wieder erweitert, zum Teil auf sechzehn Strophen. So kursieren heute unzählige Varianten, die sich kaum noch einem einzigen Gedicht zuschreiben lassen.

Der Ursprung des Gedichts ist nicht geklärt, wird aber im sächsischen Volksmund des 19. Jahrhunderts vermutet. Die ältesten bekannten schriftlichen Varianten sind in Volksthümliches aus dem Königreich Sachsen, auf der Thomasschule gesammelt von Oskar Dähnhardt. Erstes Heft. Teubner, Leipzig 1898, als Nr. 270 mit der Herkunftsangabe „Hentschel V.“, mit der Variante „Harrassowitz V.“ und Nr. 271 mit der Herkunftsangabe „Hordorff IV.“, aufgeführt. (Quelle: Wiki)

Es wurde viel spekuliert, wer der Verfasser wohl sei. Von Goethe bis Christian Morgenstern, doch gibt es keine Belege dafür. Die heute wohl verbreitetste Fassung wurde von James Krüss beeinflusst, der 1965 das Liederbuch Hirtenflöte herausbrachte.

Montag, 22. Oktober 2012

Gedicht des Monats - Wislawa Szymborska

Es gibt eine neue Rubrik - Gedicht des Monats. Letztes Wochenende in Berlin gesehen, gelesen...und für GUT befunden!

DAS SCHREIBEN EINES LEBENSLAUFS

Was ist zu tun?
Ein Antrag ist einzureichen,
dazu ein Lebenslauf.

Ungeachtet der Länge des Lebens
hat der Lebenslauf kurz zu sein.

Geboten sind Bündigkeit und eine Auswahl von Fakten.
Die Landschaften sind durch Anschriften zu ersetzen,
labile Erinnerungen durch konstante Daten.

Von allen Lieben genügt die eheliche,
nur die geborenen Kinder zählen.

Wichtig ist, wer dich kennt, nicht, wen du kennst.
Reisen, nur die ins Ausland.
Zugehörig wozu, aber ohne weshalb.
Preise, ohne wofür.

Schreibe, als hättest du niemals mit dir gesprochen
und dich von weitem gemieden.

Umgehe mit Schweigen Hunde, Katzen und Vögel,
den Erinnerungskleinkram, Freunde und Träume.

Es gilt der Preis, nicht der Wert,
der Titel, nicht dessen Inhalt,
die Schuhgröße, nicht wo
der Mensch, für den man dich hält, hingeht.

Dazu eine Fotografie mit entblößtem Ohr.
Wichtig ist seine Form, nicht, was es hört.
Was es hört.
Das Knirschen des Papierwolfs.
  
Wislawa Szymborska

Geschrieben hat dieses Gedicht die einflussreiche Dichterin, Gastronomie-Kritikerin, literarische Königin der Ironie und Spezialistin für feine Humorspitzen: Wisława Szymborska. 

Literaturnobelpreisträgerin Wislawa Szymborska war strikt gegen Interviews. Alles, was es über sie zu sagen gäbe, würde schon in ihren Gedichten stecken, sagte sie. Zurückgezogen lebte sie in Krakau, liebte ihre Stadt und führte dort ein ruhiges Leben. Nach der Verleihung des Nobelpreis im Jahre 1996 für ihr Werk, das ironisch-präzise den historischen und biologischen Zusammenhang in Fragmenten menschlicher Wirklichkeit hervortreten lässt, brauchte sie viel Zeit, sich mit dem Gedanken anzufreunden, sie sei jetzt eine Persönlichkeit, für die sich die Öffentlichkeit interessiert.
Sie mied Auftritte aller Art und schützte ihre Einsamkeit, die, wie sie meinte, grundlegende Bedingung für ihre Kunst, das Schreiben, sei.