Freitag, 31. Januar 2014

Buch der Woche

Der Hundertjährige der aus dem Fenster sieg und verschwand
Jonas Jonasson


In den 1970er-Jahren dachte man, dass Alterungsprozesse und das erreichbare Lebensalter im Wesentlichen genetisch festgelegt sind. Ob man lange rüstig und aktiv sein kann oder schnell degeneriert, wäre demnach eine Frage der Gene – und damit Schicksal. Diese Ansicht hat sich deutlich verändert. Heute gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich nur rund 30 Prozent des Alterungsprozesses auf genetische Faktoren zurückführen lassen. 70 Prozent werden indes durch unsere Lebensweise beeinflusst. Dazu passt die Beobachtung von der japanischen Insel Okinawa. Dort werden die Menschen so alt wie sonst nirgendwo auf der Welt. Man hat festgestellt, dass die Menschen auf Okinawa von Kindesbeinen an lernen, sich niemals zu überessen. Es bleiben immer rund 30 Prozent des Magens ungefüllt. Die Art der Ernährung scheint also ein wesentlicher Aspekt dieses Älterwerdens zu sein. Entscheidend ist aber die Botschaft: Es liegt durch unsere Lebensweise zum größten Teil in unserer eigenen Hand, wie wir älter werden.

Fünf Dinge sind wirklich essenziell für ein langes und gesundes Leben: Ernährung,  Bewegung, Regeneration, Entgiftung sowie insbesondere Stressmanagement und Lebensfreude.

Da hat Allen Karlsson anscheinend alles richtig gemacht.

Allan Karlsson ist die Hauptperson in Jonas Jonasson`s Roman „Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Allen Karlsson blickt auf ein sehr ereignisreiches Leben zurück. Er ist weit herum gekommen in der Welt, hat, obwohl gar nicht an Politik interessiert, einige wichtige politische Persönlichkeiten getroffen. Doch jetzt soll er seinen 100. Geburtstag im Altersheim verbringen, wo allerlei merkwürdige Verbote gelten. Da Allan sich allerdings sowohl körperlich als auch geistig noch recht fit und gar keine Lust auf die Geburtstagsparty hat, steigt er kurzerhand aus seinem Fenster und macht sich auf den Weg zu Bahnhof. Dort stielt er einem jungen Mann seinen Koffer, der ganz zufällig keine Wechselkleidung, sondern 50 Millionen illegales Geld, enthält. Mit seinen neu gewonnen Freunden stürzt Allan sich in ein Abenteuer.

Der Roman spielt in der Gegenwart, springt jedoch immer wieder in die Vergangenheit zurück und schildert chronologisch Allans bisheriges Leben.

Allen Karlsson der Jahrhundertzeugen, der wider Willen in sämtliche wichtigen politischen Ereignisse verwickelt wird und es dennoch schafft, sich aus allem herauszuhalten, kann vielen gewissenhaft rezensierten Werken der Gegenwartsliteratur das Wasser reichen - oder besser: den Wodka.

Denn wie man es bei einem so durch und durch schwedischen Epos erwarten darf, wird hier ordentlich getrunken und gern darüber geredet. Vor Leuten, die nicht trinken, solle er sich in Acht nehmen, hat der Romanheld Allan Karlsson von seinem Vater gelernt, der in Russland vom Sozialisten zum Zarenverehrer mutierte und bei der Verteidigung seines zehn Quadratmeter großen, zur "unabhängigen Republik" erklärten Privatgrundstücks von Lenins Soldaten erschossen wurde. Dieser Lebenslauf en miniature bildet das Prinzip der gesamten Erzählung ab: Ideologien werden als lächerliche Konstrukte entlarvt, und die Tragik des kleinen Mannes wird mit der Komik des weltpolitischen Geschehens verflochten. Als Lebensmotto taugt, wie sich herausstellt, einzig der Satz, den Allans Mutter sprach, als sie vom Tod ihres Gatten erfuhr: "Es ist, wie es ist, und es kommt, wie es kommt." Das heißt freilich nicht, dass das, was ist und was kommt, keinen Spaß machen darf.

Der Schreibstil des Romans ist sehr locker gehalten und mit Witz geschrieben. Während des Lesens musste ich viel lachen und schmunzeln. Die Mischung aus Gegenwart und Vergangenheit finde ich sehr passend. Somit bekommt man einen Überblick über wichtige Krisen der letzten hundert Jahre, die allerdings übertrieben dargestellt sind.

Ein gelungenes Buch.

Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand, Jonas Jonasson, 416 Seiten, carl's books- Verlag, ISBN-10: 3570585018