Donnerstag, 7. März 2013

In der Kürze liegt die Würze...


Antonia Baum „Vollkommen leblos, bestenfalls tot“
 
Lieber zerstören als errichten. Die zuweilen verrückte Ich-Erzählerin dieses Kurzromans lebt von der Zerlegung jeglicher Personen, die ihre Welt betreten.  Aufgewachsen in einer Hausluft, die klebt wie grauer Kleister, durch den jedes Wort schwer und ewig fällt, krankt die Romanheldin an den Menschen dieser Welt. Ihre Beziehungen sind entweder leblos oder ein Missverständnis, der Körper randvoll vom Selbsthass, das Wesen trotzig, die Seele teilnahmslos. Werden ihr Schmerzen zugeführt, hält sie still. Alles Erlebte erscheint wie die Reaktion auf das Mysterium, wie ihre Eltern unbeschwert ihr Leben leben, während die Romanheldin beinahe zu zerbrechen droht.
 
Antonia Baum, „Vollkommen leblos, bestenfalls tot“, Hoffmann und Campe- Verlag, 239 Seiten
 
 
 
Sven Lager „Mein Sommer als Wal“
Der gescheiterte Student Matthias hat sich in Berlin beim Klauen erwischen lassen und büßt nun als Praktikant in Südafrika. Dienst an der Gesellschaft, heißt die Strafe. Ein Job auf Sylt wäre vielleicht ruhiger gewesen. Eine einsame Hütte, Vögel beobachten. Oder beim roten Kreuz in der Charité Blutbeutel beschriften. Aber nein. Matthias muss als Gärtner in einem deutschen Aussteigerdorf seine Strafe abarbeiten. Dort trifft er auf RAF-Aussteiger, Maoisten, Anthroposophen und betreut behinderte Menschen. Manchmal liegt er am Strand und zuckt lässig mit den Achseln, doch er kommt hier in Südafrika nicht zur Ruhe. Das Township geht in Flammen auf.
Das neue Südafrika ist kein Urlaubsparadies, es ist rau, geladen hier gärt es und das mag Matthias. Er verliebt sich in die junge, schwarze Zola, die von einem Leben in Berlin träumt. Schlecht, weil Matthias der ziellose „Deutschländer“ so gar keine Lust mehr auf schlechtes Wetter, Prenzlauer Berg und die Neonazis in Brandenburg hat.
 
Sven Lager, „Mein Sommer als Wal“, KIWI-Verlag, 256 Seiten


 
Lena Gorelik „Verliebt in Sankt Petersburg“
 
Russen kennen weder Russischbrot noch russisches Ei oder russischen Zupfkuchen. Und keiner ruft beim Zechen lauthals „na sdrowje“, die Sache ist nämlich die, dass es diesen Trinkspruch in Russland überhaupt nicht gibt. Diese und andere Wahnvorstellungen hat Lena Gorelik aus Sankt Petersburg mitgebracht.  Sie war dort, mit einem Kumpel mit dem Namen Jost, den die russische Verwandschaft sofort als Ehemann in spe akzeptierte. Ein Missverständnis, eines von vielen. Niemand spuckt tatsächlich über seine Schulter, um böse Flüche abzuwenden, was Jost freilich nicht wissen kann. Er versteht als Deutscher ebenso wenig, warum man keine Hotdogs vom Straßenstand kauft oder weshalb Dill in Russland alle anderen Gewürze ersetzt. Es bringt nichts einem Russen zu erklären, an was ein Vegetarier glaubt und sich im Auto anzuschnallen, gilt als die größte Beleidigung, die sie einem Fahrer antun können.
Lena Gorelik, „Verliebt in Sankt Petersburg“, SchirmerGraf-Verlag, 176 Seiten
 
 
Emma Donoghue „Raum“
Heute ist Jack fünf. Als er gestern im Schrank eingeschlafen ist, war er vier. Jack ist in Raum geboren und lebt seitdem hier mit seiner Mutter. Isst, spielt und schläft hier. Raum hat eine immer verschlossene Tür, Oberlicht und misst vier mal vier Meter. Jack liebt es fernzusehen, denn da sieht er seine Freunde, die Cartoonfiguren. Eines Tages erklärt ihm seine Mutter, dass es doch eine Welt da draußen gibt und dass sie versuchen müssen, aus Raum zu fliehen.
Emma Donoghue, „Raum“, Piper-Verlag, 416 Seiten
 
 
Amanda Sthers „Die Geisterstrasse“
 
Die junge Afghanin Naema ist schwanger. Sie weiß genau, dass dies ihr Todesurteil ist. Die Taliban sind zwar fort, der amerikanische Reporter, mit dem sie in einer Bombennacht zusammengekommen ist, aber auch. Und die Ehre ihrer Brüder bedeutet ihr alles. Hilfe sucht sie bei den zwei Juden, die noch in Kabul leben. Für die beiden kauzigen alten Männer, die sich den lieben langen Tag in den Haaren liegen, verändert diese Begegnung alles.
Amanda Sthers, „Die Geisterstrasse“, Luchterhand-verlag, 220 Seiten
 
 
Tony Parsons „Als wir unsterblich waren“
London, 16. August 1977. Der „King“ ist tot- God save the Queen. Erzählt wird die Geschichte jener Nacht, in der Elvis stirbt und Sex Pistol Jonny Rotten der musikalische Herrscher des Vereinigten Königreichs ist. Und erzählt wird die Geschichte von Ray, Leon und Terry, der imaginären Pop-Zeitschrift „The Paper“, die diese intensive Nacht zwar gemeinsam, aber doch völlig unterschiedlich erleben.
Tony Parsons, „Als wir unsterblich waren“, Blumenbar-Verlag, 430 Seiten

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