Im Stein
Clemens Meyer
Es dreht sich alles um Prostituierte, Luden,
Wohnungsvermieter, Kunden, Kinder, Hells Angels und Könige der Nacht. Clemens
Meyer schreibt über ein Tabuthema, in der sich viele Menschen bewegen, ohne
darüber zu sprechen.
Im Zentrum stehen die Frauen, die Prostituierten, die
keinesfalls als Opfer dastehen. Sie wägen in inneren Monologen, in
Selbstgesprächen das Für und Wider ab, verdammen sie, reden sie schön und
stellen die Tätigkeiten in jeder Einzelheit dar. Doch Vorsicht!
Hier werden keine Männerfantasien bedient oder der Akt an sich gar
romantisiert. Hier werden Tatsachen beschrieben.
In 22 Kapiteln, wechselt pausenlos die Zeit, Szenerien und
Figuren. Zeitlich bewegen wir uns und springen auf einer Zeitschiene die von
den Neunzigern in die frühen Nullerjahre reicht. Clemens Meyer beleuchtet die
Moral der Sexindustrie, die Aufteilung des Marktes in den neuen Bundeländern und
der Stadt Leipzig. Aus dem Osten Europas strömen Sexarbeiterinnen nach Sachsen
und Sachsen-Anhalt bis nach Brandenburg, aus dem Westen rücken Bordellbonzen
an. Der Aufbau Ost auf die harte Tour. Und immer wieder driftet das Geschehen auch
ins Fantastische, Traum-, Albtraum- und Science-Fiction-Hafte.
Eine auch sehr wichtige und immer wiederkehrende Romanfigur
ist Arnold Kraushaar, der über ein kleines Imperium von
Prostituierten-Apartment herrscht. Er kassiert einige Hunderte dieser Wohnungen
in seiner Stadt ab, geht noch mal zur Uni und erleidet einige Blessuren bei
verteilungskämpfen im Milieu.
Clemen Meyer hat für diesen Roman viel recherchiert, so dass
„Im Stein“ letztendlich überzeugend, präzise, umfassend und authentisch
herüberkommt. Man glaubt im Zentrum des Geschehens zu sein, wenn Clemens Meyer
das Prostitutionsmilieu abbildet und
beschreibt. Die unterschiedlichen Arbeitsplätze (Straße, Club, Wohnwagen,
Container, Laufhäuser, Wohnungen), die Gruppierungen und Organisationen, das
2002 verabschiedete Prostitutionsgesetzt – wirkt, als wäre Clemens Meyer in der
beschriebenen Welt aufgewachsen. Es ist verrückt und unheimlich, wie gut er
sich in dieser Welt auszukennen scheint.
Was stimmt denn nun überhaupt in dieser Welt. Das
Gewöhnliche ist phantastisch in diesem Roman und das Phantastische gewöhnlich,
schmierig und gemein. Es geht um unsere Welt, den unsichtbaren Teil davon.
Clemens Meyer wurde am 1977 in
Halle an der Saale geboren und aufgewachsen ist er in Leipzig. 1996 machte er
das Abitur. Im Anschluss war er als Bauhelfer, Möbelträger und Wachmann tätig. Von
1998 bis 2003 studierte Clemens Meyer am Deutschen Literaturinstitut in
Leipzig. Das Studium finanzierte er sich selbst. 2001 erhielt Clemens Meyer für seine Erzählung
„Kinderspiele“ den 1. Preis des MDR-Literaturwettbewerbs. In „Kinderspiele“
erzählt Meyer die Geschichte einer zerstörten Kindheit, die von Alkohol, Gewalt
und Diebstählen geprägt ist. Die überarbeitete Fassung des Textes bildet das
erste Kapitel seines Debütromans „Als wir träumten“, den er als Diplomarbeit am
Deutschen Literaturinstitut einreichte.
2006 erschien im Fischer Verlag
sein autobiographischer Debütroman „Als wir träumten“, an dem Meyer mehr als
sechs Jahre gearbeitet hat. Für seinen im Jahr 2008 erschienenen
Kurzgeschichten-Band "Die Nacht, die Lichter" hat Clemens Meyer den
Preis der Leipziger Buchmesse für Belletristik bekommen. "Gewalten"
spielen eine Rolle im 2010 erschienen Tagebuch von Clemens. Mit seinem 2013
erschienenen Roman "Im Stein" wurde Clemens Meyer für den Deutschen
Buchpreis nominiert.
Im Stein, Clemens Meyer, S. Fischer Verlag, 560 Seiten,
22,99 €, ISBN: 978-3-10-048602-8
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