Ente, Tod und Tulpe
Wolf Erlbruch
Ein Thema das in unserer westlichen Kultur angstbesetzt ist. Der Tod.
Irgendwann stellt jedoch jedes Kind die Frage nach dem Tod. Ganz
unbefangen. Ebenso wie Kinder das Leben neugierig entdecken, stoßen sie auf das
Sterben und erwarten und benötigen ehrliche Antworten. Alle Eltern wissen das
und haben selten eine unbefangene Antwort parat. Dass es nicht immer leicht
ist, sich diesen Fragen in einem Bereich, der uns selbst verunsichert und an
Grenzen stoßen lässt, zu stellen, ist verständlich. Um Kinder mit ihren Fragen
und ihrer Trauer jedoch nicht allein zu lassen, ist es umso wichtiger, auf
diese einzugehen, Gefühle (mit-)zuteilen und zu begleiten.
In Wolf Erlbruchs "Ente, Tod und Tulpe" ist der Tod ein
leichtfüßiger Begleiter, schon immer da, man merkt's nur nicht und eine
hervorragende Lektüre, um sich dem Thema anzunähern. Wolf Erlbruch erzählt eine
Geschichte vom Sterben, die für Kinder und Erwachsene je eigene Rezeptionsmöglichkeiten
bereithält. Es wird eine einfache, auf zwei Figuren reduzierte Geschichte
erzählt.
Eines Tages merkt die Ente, dass sie nicht allein ist: der Tod ist bei
ihr. Er folgt ihr auf Schritt und Tritt, er behauptet sogar, schon ihr ganzes
Leben bei ihr zu sein. Die Ente bekommt gehörigen Schreck. Aber dann spricht
sie mit dem Tod, er erklärt ihr, wer er ist, und es stellt sich heraus:
eigentlich ist er ganz nett. Er kommt auch nicht, um sie tot zu machen, denn
„dafür sorgt schon das Leben“. Die beiden tun zusammen Entendinge, sie
schwimmen, wärmen sich nachts und unterhalten sich darüber, wie die Ente sich
das Totsein vorstellt. Und sie machen noch etwas Aufregendes. Und schließlich
endet es, wie es enden muss, wenn der Tod einen schon eine Weile begleitet.
Aber irgendwie ist das nicht mehr so schlimm.
Das Buch gibt keine Antworten und stellt keine Behauptungen auf, es
folgt keiner Religion und fabuliert nicht irgendwelche Tröstlichkeiten herbei.
Wir wissen hinterher immer noch nicht, ob die Ente in einen Entenhimmel kommt
oder was mit ihr passiert. Aber der Tod ist der Ente zu einem Freund geworden,
er ist die ganze Zeit bei ihr, er begleitet sie, spricht mit ihr, er hat sogar
Humor, und am Ende schenkt er ihr seine Tulpe – die außer im Titel übrigens
ausschließlich auf einigen Bildern auftaucht. Im Text wird sie kein einziges
Mal erwähnt. Und die Bilder von Wolf Erlbruch sind mal wieder, wie die Bilder
von Wolf Erlbruch eben sind: schlicht und wunderschön und irgendwie berührend.
Für Kinder werden die Ente und der Tod Freunde, die sich über das
Sterben unterhalten und sich umeinander kümmern. Werden Kinder die bildliche
Darstellung des Todes merkwürdig finden? Vermutlich nicht, denn der Tod ist
kein Sensenmann, keine gruselige Kapuzengestalt. Der Tod, ein freundlicher
Schädel, trägt einen hochgeschlossenen beige-karierten Mantel, der fast ein
wenig an einen Schlafrock erinnert, und ein Paar dunkle Pantoffeln und
Handschuhe. Außerdem hat er stets eine schwarze Tulpe dabei.
Kinder werden fragen, weil sie möglicherweise Sätze wörtlich nehmen:
kann der Tod schleichen? Wieso hat die Ente ihn nicht gesehen, wenn er immer da
war? Erwachsene verstehen die Bilder, die Erlbruch gefunden hat: der Tod ist
nicht größer als die Ente, er passt zu ihr, er ist ihr Tod. Erwachsene die sich
immer öfter bei Beerdigungen treffen, wissen plötzlich, das der Tod ihnen näher
rückt, und auch für die nicht fassbare Vorstellung, dass die Welt für uns nur
da ist, weil wir da sind, gibt es ein Bild: als die Ente ihren Teich von oben
sieht, wird ihr ganz komisch, so ist er also, der Teich ohne Ente, einsam. Wenn
die Ente zum Schluss den Tod bittet, sie zu wärmen, ihren Tod annimmt, lässt
uns das innehalten – und dann blättert man von vorn.
Großartig, wie Erlbruch mit minimalen Änderungen in der Haltung und
Mimik der Ente ihre Stimmungen sichtbar macht, fröhlich, nachdenklich,
schnattrig, verwirrt. Toll die Konzentration auf Ente und Tod. Ein sehr
gelungenes Buch.
Zum Autor:
Wolf Erlbruch, geboren 1948, studierte Grafik-Design und war als
Illustrator in der Werbebranche tätig, bevor er Ende der 80er Jahre begann,
Kinderbücher zu schreiben und zu illustrieren. Er ist Professor an der
Bergischen Universität Wuppertal. Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt Wolf
Erlbruch 2003 den Gutenbergpreis der Stadt Leipzig für sein Gesamtwerk und den
Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises. Im Peter Hammer Verlag
erschienen u.a.: „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf
gemacht hat“
Ente, Tod und Tulpe, im Kunstmann Verlag 2010 erschienen.
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